Datenplattform übertragen ist nicht Code transformieren

Viele Projekte starten mit der Hoffnung, dass ein schneller Plattformumzug automatisch bessere Datenprodukte, niedrigere Kosten und schnellere Insights liefert. Die Realität: Wer eine Datenplattform wie Quellcode behandelt, migriert zwar Werkzeuge – aber nicht den Wert. Dieser Artikel ordnet ein, warum Infrastrukturwechsel ohne Daten-, Governance- und Prozessarbeit ins Leere laufen, und zeigt, wie Sie Migrationen so gestalten, dass sie messbar Nutzen stiften.

Begriffsklärung & These

Es klingt zunächst logisch: Wer Code migriert, wird schneller. Wer Plattformen überträgt, spart Kosten. Doch so einfach ist es nicht.

Während „Code transformieren“ oft eine Frage von Struktur, Tests und Architektur ist, betrifft die Übertragung einer Datenplattform ganz andere Ebenen: Datenmodelle, Qualitätssicherung, Zugriffsrechte, Betriebsmodelle.

Die These ist klar

Eine Plattform zu übertragen ist kein Selbstzweck. Ohne begleitende Datenstrategie, Governance und Klarheit über Rollen bleibt es ein teurer Infrastrukturumzug – mit wenig Mehrwert.

Ebenen der Veränderung

Oft beginnen Migrationen mit einem Toolwechsel – und enden in Frust, weil die Wirkung ausbleibt. Das liegt daran, dass viele Teams nicht zwischen den verschiedenen Ebenen unterscheiden, die eine Datenplattform ausmachen.

  • Auf der technischen Ebene ändern sich Cluster, Speicherformate, Engines oder Dienste.

  • Auf der inhaltlichen Ebene geht es um Datenmodelle, Schemata, Semantik und deren Versionierung.

  • Die prozessuale Ebene umfasst Pipelines, SLAs, Wiederanlaufstrategien und Orchestrierung.

  • Produktseitig verändern sich Konsumformen: BI, Self-Service, APIs, ML-Feature-Stores.

  • Und schließlich betrifft jede Migration die organisatorische Ebene: Rollen, Ownership, Betriebsmodelle und FinOps.

Erst wenn alle diese Ebenen im Blick sind, wird aus Migration Transformation.

Typische Fehlannahmen & teure Missverständnisse

Viele Unternehmen wiederholen die gleichen Fehler – weil sie Plattformwechsel mit echter Modernisierung verwechseln.

Oft wird angenommen, dass ein „Lift-and-Shift“ automatisch günstiger und schneller ist. Tatsächlich schleppen viele Projekte die technische Schuld einfach in ein neues System. Auch das Argument „bessere Performance“ greift zu kurz – wenn Datenqualität, Lineage und Ownership fehlen, wird auch der schnellste Query zur Black Box.

Ein weiteres Missverständnis: Code-Portierung reicht. In Wahrheit braucht es zusätzlich klare Data Contracts, versionierte Schemata, transparente SLAs und kontrollierte Zugriffe. Sonst ist das Ergebnis: neue Tools, alte Probleme.

Und das größte Missverständnis? Dass man mit Technik Governance automatisch mitlöst. Das Gegenteil ist oft der Fall.

Architekturleitplanken für Plattform-Migrationen

Das technische Fundament entscheidet nicht allein über Erfolg oder Misserfolg – aber ohne belastbare Architektur gerät jede Migration ins Straucheln.

Beginnen Sie bei der Entkopplung von Compute und Storage: Offene, versionierbare Formate (z. B. Iceberg, Delta Lake) und ein zentrales Metadaten-Management schaffen Unabhängigkeit und Interoperabilität.

Beobachtbarkeit gehört von Anfang an dazu. Traces, Metriken und strukturierte Logs helfen dabei, Performance zu optimieren und Fehlerquellen zu erkennen. Data Contracts sorgen dafür, dass Producer und Consumer dieselben Erwartungen teilen – technisch wie fachlich.

Und auch Sicherheit muss tief in der Plattform verankert sein: Zeilen- und spaltenbasierte Zugriffskontrolle, Maskierung sensibler Daten (PII), DSGVO-Audits, revisionssichere Logs. Plattform-Migration ist auch Privacy Engineering.

Datenstrategie statt Tool-Umzug

Der häufigste Fehler? Die Plattform wird umgezogen, bevor die Daten verstanden sind.

Bevor Sie Pipelines portieren, prüfen Sie die Datenmodelle. Sind Felddefinitionen eindeutig? Gibt es klare Verantwortlichkeiten? Dokumentation und Versionierung sind Pflicht – keine Kür.

Anschließend geht es um Datenqualität. Freshness, Vollständigkeit, Validität – das sind keine Nice-to-haves, sondern Grundpfeiler jeder Migration. Richten Sie automatisierte Checks ein, stoppen Sie fehlerhafte Flows proaktiv.

Was häufig übersehen wird: Lineage und Impact. Wer nutzt welche Daten? Welche Dashboards, Reports oder Modelle hängen dran? Ohne diese Sicht geraten Änderungen schnell zur Lotterie.

Und wie überträgt man eigentlich produktiv? Mit Shadow Reads, Dual Writes oder Canary-Datasets. Kleine Schritte, große Sicherheit.

Betriebsmodell & Rollen

Wer eine Datenplattform nur technisch betrachtet, übersieht den wichtigsten Hebel: die Menschen, die sie betreiben.

Ein funktionierendes Betriebsmodell beantwortet drei Fragen: Wer stellt sicher, dass die Plattform läuft? Wer verantwortet die Datenprodukte? Und wer sorgt für Qualität, Sicherheit und Governance?

Ein bewährtes Modell trennt Plattform-Team (Sicherheit, Performance, Tools) und Domänen-Teams (Datenmodelle, Semantik, Datenprodukte). Rollen wie Data Product Owner, Data Engineer und Analytics Engineer werden dabei klar abgegrenzt – inkl. Review- und Freigabeprozesse.

Genauso wichtig: Training. Wer auf neue Engines, Dialekte oder Kostenmodelle umsteigt, braucht Enablement – nicht nur Tool-Zugänge.

Klingt aufwendig? Ist es. Aber es spart später Monate an Nachbesserung.

Metriken & Business-Impact

Am Ende zählt nicht das Toolset, sondern der messbare Effekt.
Fragen Sie also nicht nur: Wie viel kostet ein Query? Sondern auch: Wie schnell reagieren wir auf neue Anforderungen? Wie oft scheitern Pipelines? Wie lange dauert es vom Datenereignis zur Entscheidung?

Relevante Kennzahlen auf technischer Ebene sind etwa:

  • Latenz, Durchsatz, Auslastung

  • Fehlerraten, Kosten pro Query oder GB

  • Freshness und Vollständigkeit von Datenprodukten

Aber auch geschäftsnahe KPIs gehören dazu:

  • Verkürzte Entscheidungszyklen

  • Weniger Daten-Incidents

  • Höhere Self-Service-Adoption

Nur wer Wirkung misst, kann Fortschritt belegen.

Risiken & Anti-Patterns

Jetzt wird’s unbequem. Denn viele Datenmigrationen scheitern nicht an Technik – sondern an falschen Annahmen und unzureichender Disziplin.

Ein Klassiker: Lift-and-Shift ohne Contracts. Der Code läuft – aber keiner weiß, ob die Daten stimmen.
Oder: Tool-Zoo ohne Governance. Zehn Tools, aber keine verbindlichen Standards.
Ebenfalls häufig: Schema-Drift, weil niemand Änderungen versioniert.
Und schließlich: Nur Infra-KPIs, ohne Rücksicht auf das, was Nutzer:innen wirklich brauchen.

Die Lösung? Klare Regeln. Versionierte Schemata. Qualitätsgates. Reviews. Und: Governance, die mitwächst – nicht bremst.

Fazit

Eine Datenplattform zu übertragen ist einfach – sie wertvoll zu machen ist harte Arbeit.

Ohne begleitende Strategie, Ownership und Qualitätsprozesse bleibt ein Toolwechsel genau das: ein technischer Umzug. Erst wenn Datenmodelle, Betriebsmodelle und Nutzerbedürfnisse integriert gedacht werden, entsteht echter Fortschritt.

Deshalb gilt: Migrieren Sie nicht einfach – transformieren Sie. Und denken Sie Plattform, Produkt und Prozess immer zusammen.

Lies auch unseren Beitrag zu Vibe Coding, um deine Möglichkeiten zu eruieren.

Manchmal gibt es auch weitere Möglichkeiten, Legacy Code zu aktualisieren, als alles zu transformieren.

Und wenn du dein Team fit im Coding machen willst – sprich uns an.